Seit wir nach Kyōto gezogen sind – besonders in unserem ersten Jahr – fühlte sich vieles, was für die Einheimischen völlig normal war, für uns erstaunlich fremd oder schlicht verwirrend an. Eine der größten Überraschungen? japanische Nationalfeiertage.
Ich hatte vorher nie wirklich darüber nachgedacht, ob ein freier Tag auch zum Problem werden kann. Ein Feiertag ist doch einfach ein Tag zum Ausruhen – oder? Ganz so simpel ist es in Japan nicht. Manchmal steht zwar eindeutig „Feiertag“ im Kalender, aber der Name verrät einem überhaupt nicht, dass man wirklich frei hat. „Mountain Day“ oder „Marine Day“ – das klingt eher nach einem netten Gruß an die Natur als nach einem gesetzlichen Feiertag. Viele Länder haben solche symbolischen Tage, die man im Kalender markiert, an denen man aber trotzdem normal zur Arbeit geht.
Und dann gibt es Feiertage wie „Vernal Equinox Day“ oder „Autumnal Equinox Day“. Sind das nicht einfach saisonale Eckpunkte? Werden in Japan wirklich alle 24 Jahreszeiten des traditionellen Sonnenkalenders gefeiert? Und „Respect for the Aged Day“ – klingt herzig, aber nicht unbedingt nach einem offiziellen arbeitsfreien Tag!
Diese Nationalfeiertage bedeuten aber nicht nur einen arbeitsfreien Tag – sie verändern den gesamten Alltagsrhythmus.
Japans öffentliche Verkehrsmittel fahren zum Beispiel nach drei unterschiedlichen Fahrplänen: „Wochentag“, „Samstag“ und „Sonntag/Feiertag“. Mehr als einmal standen wir montags an der Bushaltestelle und wunderten uns: „Sind japanische Busse nicht normalerweise pünktlich? Warum verspätet sich dieser?“ Erst später merkten wir: Es war ein Feiertag – und der Bus fuhr im Feiertagsmodus.
Wir haben auch schon den Fehler gemacht, unter der Woche einkaufen zu gehen, in der Hoffnung, dem Trubel zu entkommen – nur um festzustellen, dass die Innenstadt voller Menschen war. Wieder ein Feiertag, dessen Name in keiner Weise nach einem freien Tag klang. Und um es noch komplizierter zu machen: Manche Cafés und Restaurants schließen an solchen Feiertagen sogar.
Und das Seltsamste: Selbst wenn man den eigentlichen Feiertag umgeht, geht man am nächsten Tag hinaus und fragt sich: „Warum sind immer noch so viele Leute unterwegs? Hört dieser Feiertag nie auf?“ Es ist noch nicht einmal Golden Week – und doch fühlt sich jeder Feiertag an, als würde er sich in ein langes Wochenende verwandeln.
Nach ein paar dieser Überraschungen dachten wir uns: Jetzt reicht's. Zeit für eine gründliche Recherche: Welche Nationalfeiertage in Japan gibt es wirklich? Welche Tage bringen tatsächlich arbeitsfrei? Und welche scheinbar harmlosen Datumsangaben verbergen kulturelle Besonderheiten und lokale Regeln?
Was bedeutet eigentlich „Shukujitsu“? Die Regeln hinter den staatlichen Feiertagen in Japan
In Japan heißt ein staatlicher Feiertag „Shukujitsu“. Der vollständige Begriff lautet „Kokumin no Shukujitsu“ und bedeutet wörtlich „Feiertag des Volkes“. Laut dem National Holiday Act sind diese Tage gesetzlich festgelegt, um Dankbarkeit auszudrücken, wichtige Ereignisse zu würdigen oder über Werte nachzudenken, die für die Nation bedeutsam sind.
Einfach gesagt: Steht ein Tag in diesem Gesetz – egal ob Mountain Day oder Respect for the Aged Day –, dann ist es ein echter arbeitsfreier Tag. Schulen, Unternehmen, Züge, Busse und sogar die Müllabfuhr schalten auf Feiertagsmodus.
Liegt ein Wochentag zwischen zwei Nationalfeiertagen, wird dieser automatisch zu einem „Citizen’s Holiday“ (jap. „Kokumin no Kyūjitsu“). Ein zusätzlicher Bonus-Feiertag – im Alltag häufig „Sandwich-Feiertag“ genannt.
Ein klassisches Beispiel:
Fallen der Constitution Memorial Day (3. Mai) und der Children’s Day (5. Mai) in dieselbe Woche, wird der 4. Mai – normalerweise ein regulärer Arbeitstag – seit 1986 zum „Citizen’s Holiday“.
Ein weiteres Beispiel:
Wenn der Respect for the Aged Day (dritter Montag im September) direkt vor dem Autumnal Equinox Day (22. oder 23. September) liegt, wird der dazwischenliegende Tag (z. B. 22. September) ebenfalls zum Feiertag. Dieses Paket nennen die Japaner „Silver Week“. Zusammen mit dem Wochenende ergibt sich ein 5-tägiger Kurzurlaub – wie etwa in den Jahren 2009, 2015 und 2026. In solchen Jahren gibt es sowohl eine Golden Week als auch eine Silver Week.
Fällt ein Feiertag auf einen Sonntag, wird der darauffolgende Montag automatisch zum Ersatzfeiertag, dem sogenannten „振替休日“. Der freie Tag geht also nicht verloren, sondern verschiebt sich einfach.
Außerdem gibt es das Happy Monday System. Dabei werden bestimmte Feiertage bewusst auf einen Montag gelegt – etwa der Coming of Age Day, der Respect for the Aged Day oder der Sports Day –, damit möglichst viele Menschen ein verlängertes Wochenende genießen können. Das steigert sowohl die Freizeitqualität als auch den Inlandstourismus.
Japans Feiertage verbinden traditionelle Fixpunkte wie die Tagundnachtgleichen mit modernen, erst in den letzten Jahrzehnten eingeführten Feiertagen – etwa dem Marine Day oder dem Mountain Day. Auch wenn die Namen symbolisch klingen: Es handelt sich um echte arbeitsfreie Tage.
Ein Überblick über Japans wichtigste Nationalfeiertage
Insgesamt hat Japan rund 16 Nationalfeiertage pro Jahr. Mit Ersatzfeiertagen und Sandwich-Feiertagen kann die Zahl jedoch auf bis zu 19 freie Tage anwachsen – also 16 offizielle Feiertage, ergänzt durch 1–2 Zwischentage und 1 Ersatzfeiertag.
Rechnet man dann noch Obon im August dazu (kein gesetzlicher Feiertag, aber viele Firmen geben 3–5 Tage frei) sowie die Neujahrsferien vom 29. Dezember bis 3. Januar, kommt man realistisch auf 27–30 freie Tage pro Jahr. Und da es in Japan keine „Nachholarbeitstage“ gibt, gilt: Freie Tage bleiben frei – niemand muss am Wochenende zur Kompensation arbeiten.
Kein Wunder also, dass es manchmal so wirkt, als hätten die Menschen in Japan ständig Urlaub.
Die offizielle Liste aller Nationalfeiertage findet sich beim japanischen Kabinettsamt:
Japan Cabinet Office | National Holidays Overview.
Außerdem gibt es eine CSV-Datei, die sich bequem in Google Calendar, Excel oder jedes andere Planungstool importieren lässt.
Schauen wir uns nun saisonweise an, wie sich Japans Feiertage über das Jahr verteilen.
Frühjahr: Nationalfeiertage in Japan
| Datum | Feiertag | Beschreibung |
|---|---|---|
| 1. Januar | Neujahr | Der erste Tag des Jahres heißt auf Japanisch 元日. Die meisten Menschen besuchen zum 初詣 – dem ersten Schreinbesuch des Jahres – einen Schrein, um für Frieden und Glück zu beten. |
| Der zweite Montag im Januar | Coming of Age Day | Der 成人の日 feiert junge Erwachsene, die in diesem Jahr 20 Jahre alt werden. Viele tragen festliche Furisode-Kimonos oder Hakama und nehmen an offiziellen Zeremonien teil – die Straßen von Kyōto wirken an diesem Tag besonders feierlich. |
| 11. Februar | National Foundation Day | Der 建國記念日 erinnert an die legendäre Gründung Japans durch Kaiser Jinmu. Manche Familien hissen zu diesem Anlass die Flagge. |
| Um den 20. März | Frühlingstagundnachtgleiche | Die 春分の日 ist ein traditioneller Tag, an dem viele Familien die Gräber ihrer Vorfahren besuchen – ähnlich wie zur Herbsttagundnachtgleiche. |
Die Feiertage im Frühjahr stehen für Japans symbolträchtigsten Übergang: vom Winter in den Neubeginn, vom persönlichen Wachstum hinein ins gesellschaftliche Leben. Neujahr eröffnet das Jahr, während der Coming of Age Day einen wichtigen Schritt ins Erwachsenenleben markiert. Die Frühlingstagundnachtgleiche und der National Foundation Day wirken auf den ersten Blick schlicht, basieren jedoch auf tief verankertem Respekt gegenüber Ahnen, Geschichte und Natur.
Neujahr (1. Januar) ist offiziell nur ein einziger Feiertag, doch in der Realität schließen viele Unternehmen für die gesamte 年末年始休暇 – die japanische Neujahrszeit –, die üblicherweise vom 29. Dezember bis 3. Januar dauert. Schulen, Geschäfte, Restaurants, Supermärkte und selbst große Kaufhäuser bleiben in dieser Zeit häufig geschlossen. Für Reisende ist es daher nicht ungewöhnlich, überall „geschlossen“-Schilder zu sehen. Als wir nach Kyōto gezogen sind, wirkte unsere erste Neujahrspause ungewöhnlich lang – vermutlich, weil wir direkt nach der Pandemie ankamen. Ab dem zweiten Jahr stellten wir jedoch fest, dass viele Geschäfte nur am Nachmittag des 31. Dezember schlossen und bereits am 2. Januar wieder öffneten.
Der Coming of Age Day fiel mir besonders auf, weil sich Kyōtos Straßen plötzlich mit jungen Frauen in prachtvollen Furisode-Kimonos füllten, die mit Familie und Freunden Erinnerungsfotos machten – eine Szene, die eine einmalige Winterkulisse bot. Im Rathaus von Kyōto findet an diesem Tag die große „はたちを祝う記念式典“ (Coming-of-Age-Zeremonie) für alle statt, die in diesem Jahr 20 werden. Die Veranstaltung ist feierlich: Der Bürgermeister hält eine Rede, ein/e Vertreter/in der neuen Erwachsenen spricht eine Erklärung, dazu gibt es Aufführungen, Musik, Tombolas und viele Wiedersehen – lebendig und voller Energie. Junge Frauen tragen traditionell 振袖 (langärmlige Kimonos), während junge Männer 羽織袴 anlegen.
Am Tag vor dem Coming of Age Day (dem zweiten Sonntag im Januar) findet im Sanjūsangendō (Rengeō-in-Tempel) ein traditioneller Bogenschießwettbewerb statt – der „全國大的大會 (Zenkoku Ōmato Taikai)“ oder „三十三間堂通し矢 (Sanjūsangendō Tōshiya)“. Dieses Turnier zählt zu den ersten großen kulturellen Ereignissen des Jahres in Kyōto und zieht rund 2.000 junge Bogenschützinnen und Bogenschützen aus ganz Japan an. Er verbindet traditionelles Kyūdō mit der Symbolik des Erwachsenwerdens – eine beeindruckende Mischung, die jedes Jahr aufs Neue fasziniert. Auch die Kleidung ist ein Blickfang: Männer tragen traditionelle Bogenschießmontur, Frauen erscheinen in prächtigen Kimonos und Hakama, mit farbenfrohen Haaraccessoires und langen Bögen. Das Turnier gilt als eine klassische Kyōto-Wintertradition und als unvergessliches saisonales Erlebnis.
Das Sanjūsangendō-Bogenturnier geht auf die Kamakura- und Edo-Zeit zurück, als Meisterschützen Pfeile über die gesamte Länge des Tempelgangs hinweg abschossen. Mit der Zeit wurde das Turnier Teil der Feierlichkeiten zum Erwachsenwerden und verband alte Kampfkunsttradition mit der Bedeutung des Eintritts ins Erwachsenenalter. Am selben Tag findet im Sanjūsangendō außerdem das Ritual 楊枝加持 statt – eine Weidenzeremonie für Gesundheit und Glück. Besucherinnen und Besucher können das Bogenschießen aus nächster Nähe beobachten und zugleich die tausend Buddha-Statuen des Tempels entdecken.
Der Tag der Frühlingstagundnachtgleiche wirkt auf den ersten Blick wie einer der vielen 24 Sonnenabschnitte – und lässt leicht vergessen, dass es sich tatsächlich um einen staatlichen Feiertag handelt. Doch in Kyōto merkt man bereits Tage vorher, dass er naht: Geschäfte, Kaufhäuser und sogar Bahnhöfe sind voller Plakate und Banner mit dem Schriftzeichen „春分“, als wolle die Stadt sagen: Der Frühling steht vor der Tür!
Für die Menschen in Japan ist die Frühlingstagundnachtgleiche nicht nur ein saisonaler Wendepunkt, sondern auch ein bedeutender Moment, um Familiengräber zu besuchen und der Ahnen zu gedenken.
Sommer: Nationalfeiertage in Japan
| Datum | Feiertag | Beschreibung |
|---|---|---|
| 29. April | Shōwa-Tag | Der 昭和の日 markiert den Geburtstag des verstorbenen Kaisers Shōwa und ist der offizielle Auftakt der Goldenen Woche. |
| 3. Mai | Tag der Verfassung | Der 憲法記念日 erinnert an das Inkrafttreten der japanischen Nachkriegsverfassung im Jahr 1947. |
| 4. Mai | Tag des Grüns | Der みどりの日 war ursprünglich mit dem Geburtstag von Kaiser Shōwa verbunden – aufgrund seiner Wertschätzung für die Natur. |
| 5. Mai | Tag der Kinder | Der こどもの日 wird auch „Fest der Jungen“ genannt. Familien hängen Karpfenfahnen auf und essen mit Eichenblättern umhüllte Reisklößchen. |
| Dritter Montag im Juli | Tag des Meeres | Der 海の日 markiert symbolisch den Beginn der sommerlichen Ausflüge ans Meer und würdigt die Bedeutung des Ozeans. |
| 11. August | Tag des Berges | Der 山の日 wurde erst 2016 eingeführt, um die Wertschätzung japanischer Berge zu feiern und Aktivitäten wie Wandern zu fördern. |
| 13.–16. August | Obon | Obon (お盆) ist kein gesetzlicher Feiertag, doch die meisten Schulen und Firmen schließen, damit Familien heimkehren können – eine wichtige Zeit des Ahnengedenkens. |
Der wichtigste Feiertagsblock im Sommer ist eindeutig die Goldene Woche (ゴールデンウィーク / Golden Week)!
Die Golden Week ist eine der längsten Feiertagsperioden Japans und umfasst den 29. April (Shōwa-Tag), den 3. Mai (Tag der Verfassung), den 4. Mai (Tag des Grüns) und den 5. Mai (Tag der Kinder). Fallen diese Daten günstig auf ein Wochenende oder auf weitere „Citizen’s Holidays“ (die sogenannten Sandwich-Feiertage), kann sich die freie Zeit auf 5 bis 9 Tage ausdehnen. Fällt ein Feiertag auf einen Sonntag, kommt meist ein Ersatzfeiertag hinzu. Für viele ist dies die wichtigste Reisezeit des Jahres – sowohl für Heimreisen als auch für Ausflüge im ganzen Land.
Obwohl der 30. April, der 1. Mai und der 2. Mai nicht offiziell arbeitsfrei sind, geben viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden Urlaub oder schließen sogar komplett – damit werden diese Tage de facto zu inoffiziellen Feiertagen. Wenn alles günstig zusammenfällt, verschmelzen Wochenenden und Feiertage zu einer 7- bis 9-tägigen Urlaubsperiode. Geschäfte, Banken und öffentliche Einrichtungen passen ihre Öffnungszeiten an, und Flüge, Hotels und Sehenswürdigkeiten werden deutlich teurer. Wer in dieser Zeit nach Japan reist, sollte auf große Menschenmengen gefasst sein – es sei denn, man liebt dieses besondere, festliche Chaos.
Tag des Meeres und Tag des Berges sind zwar nicht so groß wie die Golden Week, doch viele Städte und Gemeinden feiern sie mit Feuerwerken, Sommerfesten oder Wanderveranstaltungen.
In Kyōto bedeutet der Juli einen ganzen Monat, der dem 祇園祭 – dem berühmten Gion-Fest – gewidmet ist.
Die lebhaftesten Tage sind der 16. Juli und der 17. Juli. Am Abend des 16. Juli, bekannt als 宵山, verwandelt sich die Innenstadt von Kyōto in eine riesige Fußgängerzone. Straßen wie die Shijō-dōri und Karasuma-dōri werden gesperrt, Dutzende gewaltige Festwagen erstrahlen im Licht, und Essensstände säumen die Wege. Es ist voll – aber absolut unvergesslich.
Am Morgen des 17. Juli übernimmt die 山鉾巡行 – die Yamaboko-Prozession – den Stadtkern. Gigantische Festwagen ziehen durch Kyōtos Hauptstraßen. Es ist der Höhepunkt der gesamten Festivalsaison. Trotz der Menschenmengen lohnt es sich: Die normalerweise geschäftigste Gegend Kyōtos wird zu einem riesigen Sommermarkt – ein seltenes, wunderbar lebendiges Erlebnis mitten in Kyōto.
Zum Sommer in Kyōto gehört auch eine Besonderheit, die man kaum anderswo findet: die 川床 (auch 納涼床 genannt).
Vom 1. Mai bis 30. September bauen Restaurants und Cafés entlang des Kamogawa-Flusses, zwischen Sanjō und Shijō, hölzerne Plattformen über dem Wasser auf. Gäste speisen dann direkt über dem fließenden Fluss, begleitet von Wind und Wassergeräuschen. Es ist nicht nur ein kulinarisches Erlebnis, sondern vermittelt ein Gefühl von „rituellem Sommerkühlen“, das ausgesprochen besonders wirkt.
Geht man in dieser Zeit über die Sanjō-Brücke, sieht man oft Mitarbeitende der Restaurants, wie sie Holzbretter tragen, Lichterketten anbringen und die Plattformen Stück für Stück zusammensetzen. Schon allein dabei zuzusehen, fühlt sich an, als würde der Sommer langsam Form annehmen.
Gegen Ende des Sommers verabschiedet sich Kyōto mit einem stillen, aber tief bewegenden Finale: Obon.
Obon (お盆) ist zwar kein staatlicher Feiertag, doch in Kyōto nehmen fast alle frei – die sogenannte お盆休み –, um nach Hause zu fahren und den Vorfahren zu gedenken. Am letzten Abend, dem 16. August, erhellt das berühmte 五山送り火 („Gozan-Feuerzeremonie“) fünf Berghänge der Stadt mit riesigen Leuchtzeichen: „大“, „妙“, „法“, „舟形“, „左大文字“ und „鳥居形“. Diese Feuer sollen die Seelen der Verstorbenen zurück in die geistige Welt geleiten und markieren gleichzeitig das Ende des Sommers. Es ist mehr als ein Ritual – es ist einer der emotionalsten gemeinsamen Momente Kyōtos. Wir sehen es jedes Jahr, meist von einem anderen Berg aus. Es dauert nicht lange, doch der Anblick der Flammen in der Ferne bleibt unvergesslich.
Herbst: Nationalfeiertage in Japan
| Datum | Feiertag | Beschreibung |
|---|---|---|
| Dritter Montag im September | Respect for the Aged Day | Der 敬老の日 ist dem Respekt und der Dankbarkeit gegenüber älteren Menschen gewidmet. Viele Gemeinden organisieren kleine Feiern oder verteilen Geschenke. |
| Um den 22. September | Herbsttagundnachtgleiche | Der 秋分の日 entspricht der Frühlingstagundnachtgleiche – ein traditioneller Zeitpunkt, an dem Familien die Gräber ihrer Vorfahren besuchen und ihrer Ahnen gedenken. |
| Zweiter Montag im Oktober | Tag des Sports | Der ursprünglich 体育の日 genannte Feiertag heißt seit 2020 スポーツの日. Er wurde durch die Olympischen Spiele in Tokio inspiriert und fördert Bewegung, Sport und einen gesunden Lebensstil. |
Mit dem Herbst verlangsamt sich Japans Rhythmus – die sommerliche Energie macht einer ruhigeren, nachdenklicheren Stimmung Platz.
Der „敬老の日“ (Respect for the Aged Day) im September und der „秋分の日“ (Herbsttagundnachtgleiche) liegen nah beieinander: Der eine Feiertag würdigt ältere Menschen, der andere ist dem Ahnengedenken gewidmet. Viele Familien nutzen diese Zeit, um Gräber zu besuchen und sich wieder mit ihren Wurzeln zu verbinden.
Im Oktober folgt dann der „スポーツの日“ (Tag des Sports) – eine Erinnerung an die olympische Idee und daran, aktiv und gesund zu bleiben.
Ehrlich gesagt: Für alle, die in Kyōto leben, ist der eigentliche Höhepunkt des Herbstes kein einzelner Feiertag – sondern die Farbveränderung, die die gesamte Stadt verwandelt. Ab Ende Oktober färben sich die Ahorne in tiefes Rot: auf den Hügeln, an Straßenecken, in Tempelgärten und entlang der Flussufer. Die Ginkgobäume leuchten golden in der Sonne. Unsere eigene Straße ist von Ginkgos gesäumt, sodass sie Mitte Herbst vollständig in einem goldgelben Schimmer aufgeht.
Zu beobachten, wie Kyōto Tag für Tag eine neue Farbschicht annimmt, ist faszinierend – plötzlich wirkt der Alltag lebendig und frisch. Kein Wunder, dass die Einheimischen diese Jahreszeit „Nishiki-aki“ nennen: den „Brokatherbst“. Feiertag hin oder her – der schönste Teil des Herbstes steht nicht im Kalender. Er wartet direkt vor der Haustür.
Winter: Nationalfeiertage in Japan
| Datum | Feiertag | Beschreibung |
|---|---|---|
| 3. November | Kulturtag | Der 文化の日 fördert kulturelle Vielfalt und freie Gedanken. Viele Schulen veranstalten an diesem Tag eigene Kulturfeste. |
| 23. November | Tag des Dankes für die Arbeit | Der 勤労感謝の日 hat seine Wurzeln im alten Erntedankritual „Niinamesai“ und dient heute dazu, Arbeit und Arbeiter zu würdigen. |
| 23. Februar | Geburtstag des Kaisers | Der 天皇誕生日 markiert den Geburtstag des amtierenden Kaisers – derzeit Kaiser Naruhito. An diesem Tag öffnet der Kaiserpalast für öffentliche Besuche. |
Im Winter gibt es nur wenige Nationalfeiertage, und die gesamte Jahreszeit wirkt ruhiger und bedächtiger. Die beiden Novemberfeiertage – der 文化の日 (Kulturtag) und der 勤労感謝の日 (Tag des Dankes für die Arbeit) – tragen eine sanfte, beinahe rituelle Stimmung. Sie erinnern daran, dass wir zum Jahresende Kunst, Lesen und Dankbarkeit feiern dürfen – ein warmer, versöhnlicher Abschluss eines langen Jahres.
Das Datum des 天皇誕生日 (Geburtstag des Kaisers) hängt vom Geburtstag des amtierenden Kaisers ab. Wechselt der Throninhaber, verschiebt sich automatisch auch dieser Feiertag.
Zu dieser Zeit des Jahres findet Kyōto in einen kühlen, ruhigen Rhythmus. Die Feiertage verlaufen leise, der Alltag wird langsamer – und alle warten geduldig auf den ersten Schnee. Kyōto erlebt nur selten starken Schneefall; oft ist es nur ein sanftes, fast symbolisches Rieseln. Doch selbst dieses feine Weiß genügt, um die Stadt in etwas Atemberaubendes zu verwandeln.
Was du wissen solltest, wenn du während eines japanischen Feiertags reist
- Der Verkehr läuft nach Feiertagsfahrplan: JR-Züge, U-Bahnen und Busse fahren meist nach einem Feiertagsfahrplan. Die Verbindungen sind oft ausgedünnt – prüfe daher deine Route unbedingt im Voraus.
- Einige Geschäfte bleiben geschlossen: Besonders unabhängige Cafés, kleine Boutiquen oder Galerien schließen an nationalen Feiertagen häufiger.
- Belebte Innenstädte: Auch wenn es offiziell ein Wochentag ist, können Einkaufsstraßen und touristische Viertel sehr voll werden – vor allem dann, wenn der Feiertag ein langes Wochenende erzeugt.
- Saisonale Spezialitäten: Eho-maki zum Setsubun, festliche Osechi-Neujahrsgerichte oder der Brauch, am heißesten Sommertag Aal zu essen – all das zeigt, wie eng Tradition und japanische Esskultur miteinander verbunden sind.
- Lokale Events: Schreinfeste, Stadtteilfeste, Flohmärkte und traditionelle Darbietungen finden oft nur an solchen Feiertagen statt – eine der schönsten Möglichkeiten, Japans lokalen Rhythmus hautnah zu erleben.
Keine offiziellen Feiertage – aber jeder kennt sie: Traditionstage & saisonale Feste
| Datum | Tag | Beschreibung |
|---|---|---|
| Um den 3. Februar | Setsubun | 節分 markiert den saisonalen Übergang vom Winter zum Frühling. Menschen werfen geröstete Sojabohnen, um Dämonen zu vertreiben und Glück einzuladen. Viele Schreine in Kyōto veranstalten lebhafte Setsubun-Feste mit Bohnenwerfen und Reinigungsritualen. |
| 14. Februar | Valentinstag | In Japan ist der Valentinstag (バレンタインデー) traditionell ein Tag, an dem Frauen Männern Schokolade schenken – nicht nur Partnern, sondern auch Kollegen oder Freunden. Daraus entstand die besondere Kultur des „義理チョコ“ (Pflichtschokolade). |
| 3. März | Mädchenfest | Das Familienfest 雛祭 wird gefeiert, indem kunstvolle Puppen ausgestellt und spezielle Reiskuchen sowie süßer Sake serviert werden, um Mädchen Gesundheit und Glück zu wünschen. |
| 14. März | White Day | Am White Day (ホワイトデー) revanchieren sich Männer für die erhaltene Valentins-Schokolade – meist mit Süßigkeiten, Keksen oder kleinen Geschenken. |
| Zweiter Sonntag im Mai | Muttertag | Zum 母の日 verschenkt man häufig Nelken oder kleine Aufmerksamkeiten. Supermärkte und Geschäfte bieten spezielle Produkte an, um die Familie zu feiern. |
| Dritter Sonntag im Juni | Vatertag | Der 父の日 ist etwas zurückhaltender als der Muttertag, aber dennoch schenken viele Familien Bier, Haushaltswaren oder kleine Geschenke als Zeichen der Wertschätzung. |
| Ende Juli bis Anfang August | Doyō no Ushi no Hi | Der 土用の丑の日 fällt in die heißeste Zeit des Jahres – manchmal sogar zweimal. Traditionell isst man an diesem Tag Aal, um Energie zu tanken; Aalrestaurants sind dann regelmäßig ausgebucht. |
Abgesehen von den rot hervorgehobenen Nationalfeiertagen gibt es in Japan zahlreiche bekannte Gedenk- und Traditionstage, die jedoch keine offiziellen Feiertage sind. Manche stammen aus alten saisonalen Bräuchen, andere sind Produkte moderner Medien- und Konsumkultur. Sie legen weder den öffentlichen Verkehr lahm noch schließen Ämter – und dennoch prägen sie den Alltag und soziale Rituale spürbar.
Nimm zum Beispiel den Setsubun im Februar: Menschen werfen geröstete Sojabohnen, um Dämonen zu vertreiben, und essen spezielle Sushirollen in einer glücksbringenden Himmelsrichtung. Viele Schreine in Kyōto veranstalten große Setsubun-Feste. Als wir hierherzogen, dachte ich tatsächlich, Setsubun müsse ein Feiertag sein – ist er aber nicht! Dazu kommen Valentinstag und White Day im Februar und März, an denen Schokolade und Geschenke eine rosafarbene, süße Atmosphäre schaffen – und die Verkaufszahlen geradezu explodieren lassen.
Der Mädchenfesttag am 3. März ist wiederum ein Familientag: Man stellt kunstvolle Hina-Puppen auf und wünscht den Mädchen ein gesundes, glückliches Leben. (Eigentlich nicht ganz fair – warum bekommt der Jungenfesttag einen offiziellen Feiertag, der Mädchenfesttag aber nicht?)
Es folgen Muttertag und Vatertag im Mai und Juni – liebevolle, aber inoffizielle Momente, um Dankbarkeit zu zeigen. Und dann gibt es noch den 土用の丑の日 (Tag des Ochsen) von Ende Juli bis Anfang August – ein Paradebeispiel dafür, wie eng Japans Esskultur mit den Jahreszeiten verknüpft ist. Aal zu essen, um Energie zu tanken, ist eine so feste Tradition, dass Aalrestaurants überfüllt sind und selbst einfache Kettenrestaurants zeitlich begrenzte Aalgerichte anbieten.
Diese Tage sind vielleicht keine „Feiertage“, aber sie verändern die Stimmung einer Stadt spürbar. Sie geben einen wunderbaren Einblick in Japans Liebe, dem Alltag kleine Rituale zu verleihen. Wenn du während einer dieser Gelegenheiten in Japan bist, solltest du sie unbedingt miterleben – sie bieten einen besonderen Zugang zur japanischen Kultur.